Anfang 2024 verzeichneten einige koreanische Aktien deutliche Kursgewinne, insbesondere diejenigen, die mit einem niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) gehandelt werden oder akzeptable Dividenden ausschütten.
Wie kam es dazu? Im Vorfeld der Parlamentswahlen im April versprechen Politiker und Regulierungsbehörden in Korea, Maßnahmen zur Verbesserung der Aktienrenditen und Governance-Strukturen der Unternehmen zu ergreifen, um den „Korea-Abschlag“ zu reduzieren. Der Begriff „Korea-Abschlag“ wird von Analysten verwendet, um die typischerweise niedrigeren Bewertungen koreanischer Unternehmen im Vergleich zu Konkurrenten aus anderen asiatischen Ländern zu bezeichnen.
Angeregt durch den Erfolg der Tokioter Börse in Japan in den letzten zwölf Monaten werden nun koordinierte Maßnahmen eingeführt, um koreanische Unternehmen dazu zu ermutigen, ihre Aktienrenditen und Bewertungen zu erhöhen.
Das ist Musik in unseren Ohren. Unsere Asien- und Schwellenländerstrategien sind in Korea übergewichtet, da die schrittweisen Verbesserungen der Corporate Governance an diesem Markt unserer Ansicht nach unterschätzt werden.
Koreanische Finanzdienstleister haben die Richtung aufgezeigt: Ihre Aktien gehören zu den bisherigen Top-Performern des Jahres 2024. Dies signalisiert, dass die Regulierungsbehörden mit entsprechenden Maßnahmen in einigen Teilen des Marktes offene Türen einrennen werden.
Zeitlicher Ablauf der Ereignisse
Bevor der Finanzminister versprach, den „Korea-Abschlag“ zu reduzieren, hatte schon Präsident Yoon bei einer Veranstaltung Mitte Januar darüber gesprochen, wie koreanische Unternehmen dazu ermutigt werden könnten, höhere Börsenbewertungen anzustreben. Außerdem versprach er eine Reform des Steuersystems, das eine dynamischere Entwicklung des koreanischen Aktienmarktes verhindert hat.
Besonderes Augenmerk wurde dabei auf das Thema Erbschaftssteuer gelegt. Diese beträgt in Südkorea 65 % auf Vermögen von mehr als 100 Mrd. KRW (75 Mio. USD) und trifft unter anderem die Chaebol (von Familien kontrollierte Konglomerate), die bei Vermögenstransfers zwischen den Generationen hohe Steuerrechnungen zu begleichen haben.
Darüber hinaus hat die koreanische Financial Services Commission (FSC) ein „Corporate Value Up“-Programm angekündigt. Dieses richtet sich an Unternehmen mit einem niedrigen KBV, deren Führungsteams künftig Rechenschaft über die Verbesserung der Governance-Strukturen ablegen sollen. Die Unternehmen sollen ihr KBV und ihre Eigenkapitalrendite (ROE) messen und Anlegern die Gründe für ihre unterdurchschnittliche Performance erläutern.
Darüber hinaus sollen die Unternehmen ihre KBV- und ROE-Performance im Branchen-/Peergroup-Vergleich veröffentlichen. Unternehmen, die diese Kennzahlen erfolgreich verbessern, sollen in einen Premium-Index aufgenommen werden, der von ETFs nachgebildet wird. Diese Maßnahmen ähneln der „name and shame“-Strategie der Tokioter Börse mit der Veröffentlichung monatlicher Listen von Unternehmen, die ihre Benchmarks erfüllen. Die dadurch angestoßenen Veränderungen nehmen immer mehr Dynamik auf.
In jüngster Zeit hat es Hinweise auf mögliche Vorgaben zur Einziehung eigener Aktien gegeben. So heißt es, dass Aktien im Eigenbestand bei der Berechnung der Marktkapitalisierung künftig nicht mehr berücksichtigt werden könnten und auch nicht mehr bei M&A-Transaktionen und anderen Kapitalmaßnahmen zum Einsatz kommen dürften. Die Einziehung eigener Aktien kann zur Wertsteigerungen für Aktionäre beitragen, indem die Zahl der im Umlauf befindlichen Aktien verringert wird.
Hinweise auf ein höheres Dividendenwachstum
Politik und Regulierungsbehörden in Südkorea arbeiten seit Jahren gemeinsam an Maßnahmen zur Verbesserung der Governance-Strukturen. Die 2014 von Präsident Moon Jae-in eingeführten Initiativen versprachen ähnliche Verbesserungen. Seitdem sehen wir Hinweise auf eine allmähliche Verbesserung des Dividendenwachstums bei koreanischen Unternehmen.
Aber Kulturen ändern sich nur langsam. Regierung und Regulierungsbehörden dürften in den kommenden Monaten weitere Maßnahmen ankündigen und wir erwarten, dass sich mehr koreanische Unternehmen darum bemühen werden, mit ihren Dividendenausschüttungen und Bilanzen ein besseres Bild abzugeben. Das heißt nicht, dass wir in Südkorea die gleiche Entwicklung sehen werden wie in Japan – aber die Richtung stimmt erst einmal.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle der heimischen Anleger, da der Aktienbesitz von Privatanlegern weiter zunimmt. Gleichzeitig könnten neue Anlagethemen die Aufmerksamkeit stärker auf den koreanischen Markt lenken.
Das zeigte sich zum Beispiel im letztjährigen Hype um Aktien von Unternehmen, die entlang der Lieferkette für EV-Batterien tätig sind. Außerdem ist das Ausgangsniveau niedrig. Koreanische Aktien sind attraktiv bewertet. Sie sind günstig, sogar zu günstig!
Wie die untenstehende Abbildung zeigt, beträgt das durchschnittliche KBV koreanischer Aktien nur 0,9 und mehr als 50 % der Unternehmen werden unter ihrem Buchwert gehandelt.