Insight

Europäische Aktienmärkte - 2020 Marktausblick

Kernaussagen
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Die künftigen Wirtschaftsdaten könnten besser ausfallen als bislang erwartet
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Über den Nutzen einer expansiveren Fiskalpolitik wird zunehmend debattiert
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Mit Blick auf das Anlagejahr 2020 sprechen unsere Aktienanalysen für eine Fokussierung auf „Value“-Titel

Zum Zeitpunkt des Schreibens notieren die europäischen Märkte seit Jahresanfang 2019 mit rund 20% im Plus. Was nach mehrjährigen Höchstständen für europäische Aktien aussehen könnte, ist aber tatsächlich nur ein sehr geringes Plus gegenüber dem Niveau von Anfang 2018. Wie von uns Anfang 2019 prognostiziert, haben die Märkte nach Auflösung mehrerer Einmaleffekte und einer allgemeinen Stimmungsaufhellung einen Großteil ihrer 2018 verzeichneten Verluste wieder hereinholen können.

Die in diesem Jahr größtenteils vorherrschenden Marktströmungen waren aber ganz andere, als wir gehofft hatten. So verschleiert die positive Gesamtperformance der Märkte eine sehr unterschiedliche Entwicklung der verschiedenen Faktoren – es gab klare Gewinner und Verlierer und stark divergierende Bewertungen.

Abbildung 1: Relative Wertentwicklung europäischer Growth-, Quality- und Value-Aktien
Abbildung 1: Relative Wertentwicklung europäischer Growth-, Quality- und Value-Aktien
Quelle: Citi, Stand: 30. September 2019. Die Abbildung zeigt das relative KGV von Long Quality versus Long Value. Aktuelles relatives KGV = 2,56. Berechnung des Value-Faktors auf gleichgewichteter Basis: Ertragsrendite (12 Monate in die Zukunft und 12 Monate historisch), Kurs-Cashflow, Kurs-Buchwert, EBITDA / EV, Dividendenrendite, Kurs-Umsatz, Umsatz / EV. Berechnung des Quality-Faktors auf gleichgewichteter Basis: Ertragssicherheit, Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz, Ertragsqualität (Rückstellungen, invertiert), Eigenkapitalrendite, Margensteigerung, Bilanzqualität. Die Faktorbewertung bezieht sich auf das relative KGV des Top-Quintils/hohe Qualität im Vergleich zum Top-Quintil/günstige Bewertung im MSCI Europe ex UK Index.

Hinter der historisch einmaligen Rally der Anleihenmärkte in diesem Jahr stehen mehrere Faktoren: die schwachen Makrodaten in Europa (wobei wir das Glas hier – anders als die meisten – nicht als halb leer, sondern als halb voll betrachten), die durch US-Präsident Trump verstärkte Unsicherheit an der Handelsfront und die Kehrtwende mehrerer Zentralbanken. Die Aktienmärkte haben generell nach der Pfeife der Anleihemärkte getanzt.

Anleihenähnliche Aktien (‚Bond Proxies‘) und vermeintlich ‚sichere‘ Branchen waren gefragt, konjunktursensitive Marktbereiche dagegen nicht. Die Bewertungsunterschiede zwischen ‚Quality‘ und ‚Value‘ waren zuletzt höher als während der TMT-Krise und der globalen Finanzkrise. Auch auf Einzeltitelebene gibt es jede Menge Beispiele für eine überdurchschnittliche Wertentwicklung, die durch die Fundamentaldaten allein nicht gerechtfertigt ist, sondern vor allem auf eine Neubewertung zurückzuführen ist. Die zum Teil etwas bequeme Annahme der Märkte ist, dass ‚Quality‘ / ‚Growth‘-Aktien ein Monopol auf hochwertige Geschäftsmodelle haben. Wir wissen, dass das nicht zutrifft.

Abbildung 2: Die Erfahrung zeigt: Eine Outperformance von ‚Value‘ setzt ein, wenn ‚Quality‘ ein sehr hohes Bewertungsniveau im Vergleich zu ‚Value‘ erreicht
Abbildung 2: Die Erfahrung zeigt: Eine Outperformance von ‚Value‘ setzt ein, wenn ‚Quality‘ ein sehr hohes Bewertungsniveau im Vergleich zu ‚Value‘ erreicht
Quelle: Citi, Stand: 30. September 2019. Die Abbildung zeigt das relative KGV von Long Quality versus Long Value. Aktuelles relatives KGV = 2,56. Berechnung des Value-Faktors auf gleichgewichteter Basis: Ertragsrendite (12 Monate in die Zukunft und 12 Monate historisch), Kurs-Cashflow, Kurs-Buchwert, EBITDA / EV, Dividendenrendite, Kurs-Umsatz, Umsatz / EV. Berechnung des Quality-Faktors auf gleichgewichteter Basis: Ertragssicherheit, Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz, Ertragsqualität (Rückstellungen, invertiert), Eigenkapitalrendite, Margensteigerung, Bilanzqualität. Die Faktorbewertung bezieht sich auf das relative KGV des Top-Quintils/hohe Qualität im Vergleich zum Top-Quintil/günstige Bewertung im MSCI Europe ex UK Index.

Was könnte 2020 anders sein?

Besser als erwartete Wirtschaftsdaten:

  • Es gibt gute Gründe für Optimismus. Die Wirtschaftsindikatoren in der Eurozone sind durch mehrere Faktoren gedämpft worden, die jetzt an Bedeutung verlieren oder komplett wegfallen. Daher könnten die Konjunkturdaten 2020 sogar positiv überraschen, wodurch anleihenähnliche Aktien künftig weniger gefragt sein könnten.
  • Wir glauben, dass wir uns dem Ende einer Phase eines bedeutenden Vorratsabbaus im Lagerzyklus nähern. Nach mehreren Dämpfern durch die globalen Handelskonflikte, den Brexit und die Probleme der Autoindustrie sollte sich das exportabhängige Deutschland auf eine gewisse Erholung freuen können. Tatsächlich scheinen die Auftragseingänge in der deutschen Industrie zu steigen und die europäischen Einkaufsmanagerindizes stabilisieren sich.
  • Ähnlich sieht es in Asien aus, das häufig ein Frühindikator für Entwicklungen in Europa ist.
  • Unterdessen dürfte sich die Binnenwirtschaft im Jahresverlauf 2020 relativ robust zeigen, da das anhaltende Kreditwachstum und die steigenden Löhne für positive Impulse sorgen dürften.
Abbildung 3: Kreditwachstum im privaten Sektor nach Darlehensarten (in %)
Abbildung 3: Kreditwachstum im privaten Sektor nach Darlehensarten (in %)
Quelle: Datastream, Invesco, Stand 18. November 2019 (auf Basis der neuesten verfügbaren Daten für Q3).
Abbildung 4: Kerninflation und Lohnwachstum in der Eurozone (Jahresrate in %)
Abbildung 4: Kerninflation und Lohnwachstum in der Eurozone (Jahresrate in %)
Quelle: Morgan Stanley, Europäische Zentralbank, Stand 19. November 2019.

Weniger Geldpolitik, mehr Fiskalpolitik:

  • Seit der globalen Finanzkrise hat die Geldpolitik die Verantwortung für das Wachstum der Wirtschaft fast komplett alleine geschultert. Da der Abbau der Haushaltsdefizite im Vordergrund stand, galt eine expansive Fiskalpolitik als unmöglich. Angesichts der (trotz der jüngsten Branchenrotationen) sehr konservativen Marktpositionierung scheinen die Investoren in ihren Basisszenarien immer noch nicht von höheren Staatsausgaben und -investitionen auszugehen.
  • Die seit diesem Jahr zunehmend lauten Rufe nach einer großzügigeren Fiskalpolitik dürften aber so bald nicht verstummen. Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde hat sich sehr deutlich geäußert, die Europäische Kommission ebenfalls.
  • Tatsächlich wollen inzwischen viele nationale Regierungen ihre starken Finanzen und die günstigen Finanzierungsmöglichkeiten nutzen, um die Fiskalpolitik 2020 als Konjunkturstimulator einzusetzen: ein Silberstreif am düsteren Horizont des Populismus?
  • Gleichzeitig bleibt abzuwarten, ob die EZB auch unter einer neuen Führung nichts an ihrer geldpolitischen Ausrichtung ändern wird. Das ist die klare Konsensmeinung, muss sich aber nicht notwendigerweise bewahrheiten. So ist auch zu bedenken, dass die letzten Stimulusmaßnahmen des ehemaligen EZB-Präsidenten Draghi von einer nennenswerten Fraktion im Zentralbankrat nicht unterstützt wurden.

Aufgepasst vor Wölfen in Schafspelzen

Einige der Aktien, die von zehn Jahren extrem akkommodierender Geldpolitik am stärksten profitiert haben, zeigen bereits Anzeichen von Schwäche. Was bedeutet das für die Fondspositionierung mit Blick auf 2020? Wenn die Anleiherenditen nur eine Richtung – abwärts – kennen, macht es Sinn, „Duration Assets“ zu kaufen. Wie in letzter Zeit aber deutlich wurde, können die Anleiherenditen auch steigen – und wenn „Duration Assets“ nicht „durable" sind, also nicht die erwarteten Cashflows liefern, hat der Marktkonsens ein echtes Problem.

Gibt es hierfür aktuelle Beispiele? Mehrere regulatorische Prüfungen sind zu negativen Ergebnissen gekommen, die die Fähigkeit der Unternehmen, steigende Dividenden zu zahlen, beeinträchtigen – und damit den anleihenähnlichen „Bond Proxy“-Status einiger Versorgeraktien. Bei einigen Basiskonsumgüter- und Luxusgüterunternehmen haben negative Gewinnrevisionen auf die Aktienkurse gedrückt. Das heißt nicht, dass alle ‚Quality‘-Aktien enttäuschen, sondern nur, dass die Liste der Aktien, die sich schlecht entwickeln, inzwischen so lang ist, dass sie auf einen Trend hindeutet – einen Trend, der sich 2020 leicht fortsetzen könnte.

Daher sehen wir auch in Sektoren, die aktuell nicht im Fokus der Märkte stehen, deutlich bessere Risiko-Ertrags-Profile. Ähnlich haben wir bereits vor einem Jahr argumentiert. Tatsächlich ist diese Logik nicht nur immer noch intakt, sondern gilt heute sogar noch mehr. Da das Bewertungsargument inzwischen noch mehr Bestand hat, sollten langfristig orientierte Investoren in Europa auch bedenken, dass der Preis, den sie für Vermögenswerte zahlen, stark mit der Rendite korreliert ist.

Inzwischen sind es nicht mehr die ‚Value‘-Aktien, die mit den meisten Gewinnenttäuschungen aufwarten. Ganz im Gegenteil: Aktuell zeichnet sich das ‚Value‘-Segment des Marktes durch bessere Ertragstrends aus als das ‚Quality‘-Segment. Auch auf makroökonomischer Ebene – und in der Geld- und Fiskalpolitik – scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Im Jahr 2020 dürfte uns eine interessante Kombination einer unverändert expansiven Geldpolitik mit positiven fiskalpolitischen Impulsen erwarten. Aus unserer Sicht spricht das für positive Wachstumsimpulse, nicht aber für ein gutes Umfeld für Wachstumsaktien.

Auf Basis unserer bewertungsorientierten Aktienanalysen gehen wir mit einer unveränderten Präferenz für ‚Value‘-Aktien ins Jahr 2020. Wir finden in diesem Bereich eine ausreichend große Vielfalt an Anlagemöglichkeiten – in zyklischen Industriewerten genauso wie in defensiven Finanzwerten –, um Portfolios zusammenzustellen, mit denen wir Investoren ein sehr differenziertes Engagement am europäischen Markt bieten können.

Der Mut, andere Wege zu gehen, kann sich auszahlen – im wahrsten Sinne des Wortes!

Marktausblicke 2020

Risikohinweis

  • Der Wert von Anteilen kann schwanken. Dies kann teilweise auf Wechselkursänderungen zurückzuführen sein. Es ist möglich, dass Anleger bei der Rückgabe ihrer Anteile weniger als den ursprünglich angelegten Betrag zurückerhalten.

Wichtige Hinweise

  • Die in diesem Material dargestellten Prognosen und Marktaussichten sind subjektive Einschätzungen und Annahmen des Fondsmanagements oder deren Vertreter. Diese können sich jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Es kann keine Zusicherung gegeben werden, dass die Prognosen wie vorhergesagt eintreten werden.
  • EMEA8863/2019