Asset allocation Vierteljährlicher Ausblick für die globale Asset Allokation für 2025
Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research EMEA, teilt seine Ansichten zur Portfolioallokation und den richtigen Anlagestrategien für das Jahr 2025.
Der Ausbruch einer neuartigen Lungenkrankheit in Wuhan, China, und erste Ansteckungsfälle mit dem Coronavirus in weiteren Ländern beunruhigen die Weltöffentlichkeit und die globalen Finanzmärkte. Wir haben zahlreiche Fragen dazu erhalten, mit welchen Auswirkungen Investoren rechnen müssen und ob die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus mit denen vergangener Virusausbrüche wie der SARS-Epidemie im Jahr 2003 vergleichbar sind. Im Folgenden versuchen wir, diese Fragen anhand der uns zum aktuellen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen bestmöglich zu beantworten.
Um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, sind zehn chinesische Städte mit insgesamt rund 30 Millionen Einwohnern unter Quarantäne gestellt worden.1 Die Lungenkrankheit breitet sich alarmierend schnell aus und erinnert damit an die SARS-Epidemie im Jahr 2003. Stand letzter Woche und damit fünf Wochen nach der ersten bestätigten Infektion hatten sich weltweit mehr als 2.600 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, 56 waren dem Virus erlegen,2 und die Zahlen sind seither weiter gestiegen. Bestätigte Fälle gibt es bislang in den USA, Frankreich, Australien, Japan, Malaysia, Nepal, Vietnam, Singapur, Südkorea und China selbst.
An den globalen Finanzmärkten sorgt die steigende Zahl der Ansteckungs- und Todesfälle für Unruhe. Auf die Bestätigung der chinesischen Behörden, dass das neue Virus auch von Mensch zu Mensch übertragen wird, reagierte der Hang Seng Index (HSI) am 21. Januar mit einem Verlust von 2,8%.3
Zum chinesischen Neujahrsfest machen sich normalerweise Millionen von Chinesen auf den Weg zu ihrer Verwandtschaft. Sorgen, dass sich der Ausbruch in den nächsten Wochen zu einer Pandemie entwickeln könnte, sind daher verständlich. Ein positiver Faktor ist, dass die chinesische Regierung versucht hat, dem entgegenzuwirken, indem sie alle Gruppenreisen verboten und viele der für das Neujahrsfest geplanten offiziellen Feiern abgesagt hat. Da die erhöhte Reisetätigkeit aber bis eine Woche nach Ende der offiziellen Feiertage anhalten dürfte und die Inkubationszeit des neuen Virus rund zehn Tage oder mehr zu betragen scheint, könnten noch bis mindestens Mitte Februar neue Ansteckungsfälle gemeldet werden. Unserer Ansicht nach spricht das dafür, dass die Finanzmärkte durch Sorgen über die Auswirkungen auf das Wachstum im ersten Quartal in China, Asien insgesamt und vielleicht sogar weltweit belastet werden könnten.
In der Vergangenheit hatten große Epidemien Auswirkungen auf Wirtschaft und Märkte. Der SARS-Ausbruch im Jahr 2003 zum Beispiel hatte erhebliche Auswirkungen, die allerdings von relativ kurzer Dauer waren.
Bis sie eingedämmt werden konnte, grassierte die SARS-Epidemie, die in der südchinesischen Provinz Guangdong – wohl mit einer Übertragung des Virus von Tier zu Mensch – begann, sechs Monate lang. Insgesamt steckten sich 8.096 Menschen in 29 Ländern mit dem Virus an; für 774 von ihnen verlief die Krankheit tödlich.4 SARS hatte erhebliche negative Auswirkungen auf die asiatische Wirtschaft und vor allem die Tourismusbranche, die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, den Einzelhandel, die Fluggesellschaften, Casinos und die Immobilienbranche. Im Jahr 2003 fiel das BIP-Wachstum in China und Hongkong dadurch um rund 1% bzw. gut 2,5% schwächer aus.5
Wichtig ist, dass die Auswirkungen eines Virus-Ausbruchs auf das Anlegervertrauen deutlich gravierender sein können als die tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen. In den USA und weltweit sterben im Schnitt jedes Jahr schätzungsweise etwa 56.000 bzw. 646.000 Menschen an der Grippe – trotzdem hat der SARS-Ausbruch die Märkte weitaus mehr beunruhigt.6
Obwohl es Parallelen zwischen den beiden Ausbrüchen gibt, vor allem im Hinblick auf die Übertragungswege, gibt es derzeit keinerlei Hinweise darauf, dass das Coronavirus ansteckender oder tödlicher wäre als das SARS-Virus.
Allerdings scheint das Coronavirus aus Wuhan eine deutlich längere Inkubationszeit zu haben. Während diese beim SARS-Virus bei 2 bis 7 Tagen lag, scheint sie beim Coronavirus aus Wuhan eher rund 10 bis 14 Tage zu betragen. Darüber hinaus haben die chinesischen Gesundheitsbehörden signalisiert, dass das Coronavirus auch von Menschen übertragen werden kann, die noch keine Krankheitssymptome zeigen, was die Nachverfolgung, Quarantänemaßnahmen und letztlich die Eindämmung des Virus komplizierter machen könnte.
Positiv zu vermerken ist allerdings eine unserer Ansicht nach viel bessere Reaktion der chinesischen Regierung auf diese Krise. Beispielsweise hatte Peking beim SARS-Ausbruch versucht, eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu blockieren, und die Medienberichterstattung über die rätselhafte Krankheit monatelang unterdrückt. Dieses Mal hat die Regierung transparenter und entschlossener agiert. Die Behörden haben bereits die Genomstruktur des Coronavirus veröffentlicht und Chinas Kommunistische Partei hat erklärt, dass Regierungsbeamte, die Fälle verschweigen, als „Sünder der Jahrtausende“ gegenüber dem chinesischen Volk und der Partei gebrandmarkt würden.
Vor allem aber haben die chinesischen Gesundheitsversorger in den vergangenen 17 Jahren viel gelernt und verbessert und sind damit viel besser für diesen Virus-Ausbruch gerüstet. Die transparentere Kommunikation, bessere Reaktionsfähigkeit und modernisierten Gesundheitsdienste sprechen dafür, dass der aktuelle Ausbruch schneller eingedämmt werden könnte als das SARS-Virus, das sechs Monate lang grassierte.
Darüber hinaus wird berichtet, dass China Auslandsreisen einschränkt, was helfen könnte, die geografische Ausbreitung des Virus zu begrenzen oder zumindest zu reduzieren, so dass aus einer Epidemie vielleicht keine Pandemie wird. Aus der wirtschaftlichen Perspektive betrachtet könnten die drakonischen Maßnahmen der Abschottung ganzer Städte und der Einschränkung der Reisetätigkeit den Dienstleistungssektor und das regionale Konsumklima direkt belasten — eine Eindämmung der Ausbreitung der neuen Krankheit würde aber letztlich zu einer Normalisierung der Wirtschaftsaktivität beitragen.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus lassen sich kaum quantifizieren, da sie von verschiedenen Faktoren wie dem Ausmaß der Ausbreitung und ihrer geografischen Konzentration abhängen sowie davon, wie wirkungsvoll die Maßnahmen der chinesischen Behörden und anderer Regierungen zur Eindämmung des Virus sind. Wir glauben allerdings, dass dieses neue Virus unter ansonsten gleichen Voraussetzungen stärkere Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft haben wird, da diese heute stärker vom Konsum abhängt als 2003, zum Zeitpunkt des SARS-Ausbruchs.
Es gibt bereits Hinweise auf negative Auswirkungen auf die Luftfahrt- und Tourismusbranche in China — zumal der Ausbruch kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest noch gravierendere Folgen hat — und es ist klar, dass diese durch eine weitere Ausbreitung des Virus noch schwerwiegender werden könnten. Dazu kam es auch, als SARS im März 2003 nach Singapur kam. Die Einwohner des Stadtstaats gerieten in Panik. Um Menschenmengen zu vermeiden, blieben sie den Einkaufszentren fern und saßen ununterbrochen vor dem Fernseher, um die neuesten Nachrichten zu SARS zu verfolgen. Während sie ihre Ausgaben für fast alles andere kürzten, gaben sie aus Angst vor Versorgungsengpässen infolge der Epidemie deutlich mehr Geld für Lebensmittel und andere Grundbedarfsgüter aus. Dadurch, dass viele den öffentlichen Nahverkehr mieden, bildeten sich an den Taxiständen lange Warteschlagen. Zum Glück endete die Panik nach mehreren Wochen und der Lebensalltag der Menschen normalisierte sich wieder.
Die Erfahrung mit SARS signalisiert, dass das neue Coronavirus einen gravierenden Einbruch des Konsums verursachen könnte (mit Ausnahme der Käufe von Grundbedarfsgütern) sowie einen deutlichen Rückgang der Geschäftstätigkeit sowie eine ausgeprägte Risikoaversion an den Märkten. Für die Bewertung der gesamtwirtschaftlichen Folgen und Marktreaktionen ist es hilfreich, die Struktur der chinesischen und globalen Volkswirtschaften im Jahr 2003 mit den heutigen Strukturen zu vergleichen.
Wir gehen davon aus, dass die Aktienkurse in China und anderen asiatischen Märkten sowie, in geringerem Maße, weltweit weiter zurückgehen werden. Außerdem rechnen wir mit einem niedrigeren Ölpreis, einem höheren Goldpreis und einer wahrscheinlichen Aufwertung des japanischen Yen gegenüber dem US-Dollar.
Die Reaktion der Märkte könnte noch stärker ausfallen, wenn sich das Virus weiter ausbreiten sollte. Die jüngsten Meldungen zu neuen Infektionen in China und andernorts signalisieren, dass sich der Markt auf weitere Abwärtsrisiken einstellen muss. Wenn das Coronavirus aber erst einmal erfolgreich eingedämmt worden ist, dürfte sich die Lage normalisieren und die Finanzmärkte dürften sich wieder stabilisieren.
Wichtig festzuhalten ist, dass sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch das Coronavirus aus Wuhan kaum verändern werden. Einer aktuellen Analyse der Société Générale zufolge könnte das chinesische BIP-Wachstum im ersten Quartal aber unter 6% (annualisiert) fallen, falls sich die Ausbreitung des Coronavirus bis März „nicht stabilisieren sollte“.7 Allerdings wären wir nicht allzu besorgt, wenn dieses Szenario eintreten sollte, da sich das BIP-Wachstum bei einer Stabilisierung der Lage wieder deutlich verbessern dürfte – schließlich sollte die Unterzeichnung des ‚Phase 1‘-Handelsabkommens zwischen den USA und China das Konsum- und Geschäftsklima und damit auch die Ausgaben stärken. Durch die Ausbreitung des neuen Coronavirus könnte sich diese positive Wirkung verzögern. Wir glauben aber, dass es zu einer sprunghaften Aufholbewegung kommen könnte, wenn sich die Lage erst einmal stabilisiert hat.
Investoren, die sich Sorgen über die Marktauswirkungen des Coronavirus machen, sollten ihren Finanzberater konsultieren, um spezifischen Rat zu ihrer Risikotoleranz und ihren Finanzzielen zu erhalten. Generell sind wir jedoch der Ansicht, dass Investoren mit einem längeren Anlagehorizont Ruhe bewahren und an ihrer aktuellen Vermögensaufteilung festhalten sollten, da die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass eine Gesundheitspanik und ihre Auswirkungen auf die Märkte gewöhnlich von sehr kurzer Dauer sind.
Anleger mit einem kürzeren Anlagehorizont könnten gut beraten sein, mit ihrem Berater über eine Ergänzung ihres Portfolios um „Sichere Hafen“-Anlagen wie Gold, US-Staatsanleihen und Low-Volatility-Aktienfaktorstrategien zu sprechen.
Die wahrscheinlichen Auswirkungen einer Epidemie auf die Märkte lassen sich am besten anhand historischer Reaktionsmuster erklären. Unsere auf Basis von Analysen früherer Epidemien/Pandemien getroffenen Beobachtungen sind:
Wir scheinen das Ende von Phase 1 zu erreichen und am Beginn von Phase 2 zu stehen (wobei wir davon ausgehen, dass die Nachrichten noch schlechter werden).
Und das nach einer sehr starken Rally der Aktienmärkte — dies könnte der Auslöser für eine Korrektur sein. In einem „Worst-Case-Szenario“ könnten globale Aktien um bis zu 10% oder 20% einbrechen, bevor sie sich wieder erholen. Wir werden die weitere Entwicklung dieses Ausbruchs genau beobachten, um etwaige Anzeichen einer Stabilisierung frühzeitig zu erkennen. Je länger sich das Coronavirus weiter ausbreitet, ohne dass es den Behörden gelingt, seine Ausbreitung zu verlangsamen, desto gravierender werden die Auswirkungen für Wirtschaft und Märkte sein. Bei einer Verbesserung der Lage würden wir aber mit einer relativ raschen Erholung rechnen, zumal die akkommodierende Geldpolitik der Zentralbanken für gute Unterstützung von Risikoanlagen sorgt.
Mit Beiträgen von David Chao (Global Market Strategist, Asia Pacific), Tomo Kinoshita (Global Market Strategist, Japan), Paul Jackson (Global Head of Asset Allocation Research) und Arnab Das (Global Market Strategist, EMEA)
Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research EMEA, teilt seine Ansichten zur Portfolioallokation und den richtigen Anlagestrategien für das Jahr 2025.
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