Kurz zusammengefasst
- Die Wachstumsgeschichte Chinas geht weiter. Tatsächlich besteht kurz-, mittel- und langfristig sogar das Potenzial für ein starkes, hochwertigeres Wachstum.
- Die Provinzen im Landesinneren entwickeln ihre Infrastruktur und sind darum bestrebt, zu den Erste-Welt-Standards in Peking, Shanghai und Shenzhen aufzuschliessen.
- Das schier unendliche Reservoir an Arbeitskräften wird durch Roboter, Automatisierung, Aus- und Weiterbildung zunehmend produktiver.
- Der Verbrauch durch die wachsende Mittelschicht schützt die lokale Wirtschaft vor Erschütterungen von aussen und zieht ausländische multinationale Konzerne an.
- Finanzreformen und Innovation erhöhen die Anlagemöglichkeiten und machen Kredite auch für kleine Unternehmen leichter verfügbar.
Im fünften Jahrzehnt nach den ersten Reformen der Ära Deng Xiaoping sind globale Investoren und selbst Experten für Schwellenländer generell der Ansicht, dass die chinesische Wirtschaft reif ist und ihre Wachstumsmöglichkeiten mehr oder weniger ausgeschöpft sind. Begründet wird dies damit, dass das „Wirtschaftswunder“ (um es mit den Worten des früheren amerikanischen Finanzministers Lawrence Summers zu sagen), gestützt auf eine günstige demografische Entwicklung und Kredit-basierte Investitionen in Hausbau und Infrastrukturen, nicht nachhaltig ist und irgendwann mit einem rückläufigen Wachstum „zurückgezahlt“ werden muss. Zwar steckt in dieser Aussage ein Körnchen Wahrheit, aber sie ist stark vereinfachend und kann dazu führen, dass Anlegern langfristige Chancen entgehen. Aus einem ganzheitlichen Ansatz ergibt sich, dass ein robustes, hochwertigeres künftiges Wachstum durch ein besseres Gleichgewicht zwischen Handel, Binnenverbrauch und Investitionen erzielt werden kann.
Das Wirtschaftswachstum, ausgedrückt als Bruttoinlandsprodukt (BIP) und BIP pro Kopf der Bevölkerung, hat sich gegenüber früheren Superzyklus1 -Jahren abgeschwächt. Das ist nicht überraschend, nachdem das Wachstumstempo in China seit 1978 beispiellos war, vor allem für ein Land mit diesen Dimensionen. Das chinesische Pro-Kopf-BIP belief sich in den späten 1970er Jahren auf ein Vierzigstel des amerikanischen und ein Zehntel des brasilianischen BIP. Nach einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von (preisbereinigt) rund 8% erreicht das Pro-Kopf-BIP mittlerweile fast ein Fünftel des amerikanischen und etwa das 1,2-fache des brasilianischen BIP. Das Bild ist im Licht der Kaufkraft noch günstiger mit positiven Folgen, allen voran für die wachsende Mittelschicht (s. Abb. 1).