In diesem Ausblick erläutern wir unsere aktuellen Überlegungen zu dieser Politik und ihre Implikationen für unsere Anlageeinschätzungen mit Blick auf das Jahr 2022.
Das übergeordnete Ziel der chinesischen Politik ist der gemeinsame Wohlstand
Das Konzept des gemeinsamen Wohlstands ist an sich nicht neu und wurde schon von vielen Vorgängern von Xi Jinping propagiert. Es ist ein grundlegendes Ziel der Regierung, den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen.
Chinas spektakuläres Wachstum ist nicht folgenlos gewesen. Zwischen den verschiedenen Regionen, Branchen und Haushalten herrscht ein deutliches Wachstumsgefälle und viele Chinesen klagen über Umweltbelastungen und Missstände in den Bereichen Wohnen, Bildung und Gesundheit.
Die Agenda des gemeinsamen Wohlstands soll diese Probleme adressieren. Es handelt sich um eine umfassende Entwicklungsstrategie, die auf hochwertiges Wachstum, soziales Wohlergehen und ökologische Nachhaltigkeit abzielt.
Wir glauben, dass das übergeordnete Ziel des gemeinsamen Wohlstands den politischen Kurs in Bereichen wie der Internetregulierung, dem Immobiliensektor und den Emissionssenkungszielen bestimmt.
Technologie bleibt ein Schlüssel zur Steigerung der Produktivität
Chinas 14. Fünfjahresplan (2021-25) enthält ein Kapitel, das sich nur mit der Digitalisierung der Wirtschaft beschäftigt. Darin heißt es ganz klar, dass der Anteil am BIP der Kernsektoren der digitalen Wirtschaft bis 2025 auf 10% ansteigen soll.
Die chinesische Regierung ist sich der Wachstumsherausforderungen des Landes bewusst – zum Beispiel der alternden Bevölkerung und der sinkenden Investitionsrendite. Künftiges Wachstum wird einen Produktivitätsschub durch fortgesetzte Innovationen und technologische Fortschritte erfordern.
Im Technologiesektor dominieren private Unternehmen. Private Unternehmen steuern rund 60% zum BIP bei und beschäftigen mehr als 80% der städtischen Arbeitnehmer. Außerdem sind sie in der Regel produktiver als staatliche Unternehmen (State-Owned Enterprises, SOEs).
Bei börsennotierten Unternehmen beträgt die durchschnittliche Produktivitätslücke zwischen staatlichen und privaten Firmen rund 20%. Diese Zahlen sprechen für sich. Gleichzeitig ist die Technologie aus dem Lebensalltag in China nicht mehr wegzudenken und verändert die Art und Weise, wie die Menschen einkaufen, essen, reisen und sich unterhalten.
Wir glauben nicht, dass die Regierung dies untergraben will. Ihr Schwerpunkt liegt auf den sozial Schwachen (d. h. Fahrern, Eltern und Minderjährigen) und den potenziell systemgefährdenden Finanzakteuren (Fintech und dessen Verknüpfung mit dem breiteren Finanzsystem).
Ziel der Regierung ist es, ein digitales Umfeld zu schaffen, das ein faires und gesundes, auf das soziale Wohlergehen fokussiertes Wachstum fördert.
Die regulatorischen Vorhaben scheinen zuletzt besser kommuniziert worden zu sein und dürften künftig entschlossener umgesetzt werden. Unserer Ansicht nach eröffnen sich dadurch attraktive Möglichkeiten, in Unternehmen zu investieren, die weniger von diesen Vorschriften betroffen sind, zum Beispiel in den Bereichen Onlinehandel, Essenslieferdienste und Glücksspiel.
Politische Fokussierung auf ein Gleichgewicht von Wachstum und Finanzstabilität
Der chinesische Immobiliensektor hat in jüngster Zeit für reichlich negative Schlagzeilen gesorgt. Viele Investoren sind besorgt über das Ausfallrisiko in diesem Sektor und rechnen mit einer strengeren Regulierung. Unserer Meinung nach bewegt sich die Regierung auf einem schmalen Grat zwischen Wachstumsförderung und Wahrung der Finanzstabilität.
Eine Straffung oder Lockerung wäre eine einfache Charakterisierung dieses Balanceakts. Wenn wir auf die politischen Maßnahmen der vergangenen Jahre zurückblicken – von der angebotsseitigen Reform über die Entschuldungskampagne bis hin zu den finanztechnischen Vorschriften der chinesischen Regierung für Immobilienentwickler (den „drei roten Linien“) –, so hat sich die chinesische Regierung konsequent darum bemüht, die makroökonomischen Risiken zu mindern und eine drastische Wachstumsverlangsamung zu vermeiden.
Die bisherigen Bemühungen haben zu guten Ergebnissen geführt, wie der Rückgang der Kreditvergabe von Schattenbanken und der langsamere Anstieg der Unternehmensverschuldung zeigen. Tatsächlich sehen wir Anzeichen eines Umdenkens – der Erkenntnis, dass die Wachstumsformel der Vergangenheit für die Zukunft nicht mehr taugt und Kapital in produktiven Bereichen eingesetzt werden muss.
Wir erwarten, dass die chinesische Regierung an ihrem aktuellen, datenabhängigen Ansatz festhalten und sich bemühen wird, das Wachstum in einem angemessenen Rahmen zu halten.
Die Dekarbonisierung wird mehr Fahrt aufnehmen und neue Anlagechancen eröffnen
China hat zugesagt, bis 2030 beim Ausstoß von Kohlendioxid den Höchststand zu erreichen und bis 2060 klimaneutral zu sein. Derart ehrgeizige Emissionsziele erfordern verstärkte Anstrengungen bei der Dekarbonisierung.
Im Juli startete China sein nationales Emissionshandelssystem (ETS), in dem Pilotprojekte zusammengefasst sind, die seit 2013 von acht Provinzen/Städten durchgeführt werden. Im September verpflichtete sich die chinesische Regierung dazu, die Finanzierung neuer Kohlekraftwerksprojekte im Ausland einzustellen. Das Interesse an Investitionen in erneuerbare Energien ist groß – bis 2025 soll mehr als die Hälfte der gesamten installierten Kapazität auf erneuerbare Energien entfallen.
Wir erwarten, dass China die Dekarbonisierung seiner Wirtschaft künftig noch konsequenter vorantreiben wird. Dadurch werden sich Anlagechancen in Bereichen wie erneuerbare Energie und entlang der E-Fahrzeug-Lieferkette eröffnen.
Mit der zunehmenden Sensibilisierung der Endanleger für die mit dem Klimawandel verbundenen Anlagechancen und -risiken sollte die Nachfrage nach Produkten steigen, die einen Beitrag zur Realisierung der Umwelt- und Klimaziele leisten. Durch unsere Fokussierung auf Dienstleistungssektoren und saubere Energie weisen unsere Fonds seit jeher einen geringen CO2-Fußabdruck auf.
China – ein attraktiver Anlagemarkt
Wir glauben, dass sich Chinas Agenda des gemeinsamen Wohlstands und die damit verbundenen politischen Maßnahmen auch im Jahr 2022 und darüber hinaus auf die Aktienmärkte auswirken werden. Investoren sollten die politischen Entwicklungen im Blick haben und die Bereiche identifizieren, in denen sich dadurch attraktive Anlagegelegenheiten eröffnen.
China tritt in eine neue Ära der wirtschaftlichen Entwicklung ein, aber wir sind weiterhin zuversichtlich, dass die damit einhergehenden Anlagemöglichkeiten auch in Zukunft Anleger nach China locken werden. Wir halten China weiterhin für einen attraktiven Anlagemarkt, der eine eigenständige Portfolioallokation verdient.
China hat einen großen, chancenreichen Binnenmarkt und die chinesische Regierung treibt die Ausrichtung der chinesischen Wirtschaft auf die neue Zukunft weiter voran. Investoren konnten in China in der Vergangenheit überdurchschnittliche risikobereinigte Renditen erzielen und wir sind zuversichtlich, dass sich ein langfristiges Engagement an diesem Markt auch in Zukunft auszahlen wird.