Die EU
Ausblick für Politik und Gesetzgebung in Europa: der Weg zur Stabilität in kritischen Zeiten
Kurz zusammengefasst
Politische und geopolitische Unruhen sorgen 2022 für Schlagzeilen. Das Vereinigte Königreich und die EU könnten in dieser Hinsicht beide mehr Stabilität vertragen.
Und in der Fiskalpolitik sollte mehr Verantwortlichkeit herrschen. Angesichts der Krise der Lebenshaltungskosten müssen Haushalte und Unternehmen unterstützt werden, ohne dabei zu viel zusätzliche Schulden anzuhäufen.
Russlands Invasion in der Ukraine hat (neben anderen Faktoren) die Sicherheit der Energieversorgung in Frage gestellt. Demgegenüber stehen steigende Energiekosten und die Bemühungen um einen verringerten CO2-Ausstoss.
Überblick
Es war ein turbulentes Jahr Die Mischung aus politischen Unruhen und makroökonomischen Wirren hat einen wahren Tsunami ausgelöst, dessen langfristige Folgen noch kaum abschätzbar sind.
Der Populismus in Europa scheint ein Comeback zu feiern, der Konflikt in der Ukraine und die Unruhen mit der Regierung des Vereinigten Königreichs dauern an – hier unsere politischen und geopolitischen Prognosen für das Jahr 2023. Zusätzlich werfen wir einen Blick auf die Gesetzgebung mit Schwerpunkt auf digitale Assets, Strom und ESG.
Prognosen für Politik und Geopolitik
Ein neuer Populismus in Europa?
Die jüngsten Wahlsiege rechtsextremer Parteien in Ungarn und Italien deuten darauf hin, dass sich in Europa eine neue Welle des Populismus abzeichnet. Dies erschwert politische Verhandlungen unter den Mitgliedsstaaten. Bei massgeblichen Themen wie z. B. Sanktionen gegen Russland konnte die EU jedoch bislang auch weiterhin auf einer Linie agieren.
Darüber hinaus gab es erste Vorgespräche zum Vorschlag, die Einstimmigkeit abzuschaffen, was es den einzelnen Mitgliedsstaaten erschweren würde, eine Vetohaltung einzunehmen.
Der Umgang mit der Energiekrise war bislang eher uneinheitlich. Wir rechnen jedoch damit, dass die positive Dynamik aus dem einheitlichen Umgang mit Covid-19 sich auch weiter durchsetzen wird. Diese könnte zu einem gemeinsamen Ansatz an Strompreis-Obergrenzen führen und den Staaten die Rückendeckung geben, ihre Haushalte und Unternehmen bei den Lebenshaltungskosten zu unterstützen.
Die geopolitische Rolle der EU nach der Invasion Russlands in der Ukraine
Die Invasion Russlands in der Ukraine hat Diskussionen über die EU-Erweiterung und die geopolitische Rolle der EU neu aufleben lassen. Die Zuweisung des Anwärterstatus an die Ukraine ist ein positives Signal, aber die EU hat angedeutet, dass der Beitritt nach wie vor ein langer und mühseliger Vorgang ist.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schlug die Europäische Politische Gemeinschaft vor, welche eine breitere Auswahl an Ländern aus der Region zusammenbringen soll. Obgleich diese keine Alternative zu einer EU-Mitgliedschaft darstellt, lassen sich hier doch gemeinsame Anliegen besprechen, darunter Energie, Migration und Verteidigung. Ob diese neue Gruppierung langfristig erfolgreich sein kann, wird sich noch zeigen müssen. Aber sie dokumentiert die wachsenden geopolitischen Bestrebungen der EU in der Region.
Der Abgleich der finanzpolitischen Regeln in der EU
Die Energiekrise, die unmittelbar auf die Pandemie folgte, belastet die nationalen Haushalte und führt zu Gesprächen über gemeinsame Kreditaufnahmen. Fiskal-Hardliner sprechen sich auch weiterhin vehement gegen gemeinsame Kredite aus. Die aktuelle Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ist noch nicht voll ausgeschöpft. Stattdessen fordern mehr und mehr Mitgliedsstaaten, Hilfsmechanismen auf EU-Ebene einzurichten, um Haushalte und Unternehmen den Winter über unterstützen zu können.
Dies ist ein Vorgeschmack auf die grössere Debatte über die langfristige Umgestaltung des fiskalpolitischen Regelwerks der EU. Seit Beginn der Pandemie wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt ausgesetzt, aber bis Mai 2023 muss darüber entschieden werden, ab wann und in welcher Form diese Regeln wieder gelten sollten.
Aktuell liegt der Schwerpunkt darauf, weniger strenge Regeln zu haben. Dies würde den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum lassen, um ihren Weg zurück in die schwarzen Zahlen zu gestalten, aber auch schwerwiegendere Massnahmen nach sich ziehen, sofern Länder ihre Verpflichtungen nicht einhalten können. Ein weiterer wichtiger Verhandlungspunkt besteht in der Frage, ob Investitionen in klimabezogene, digitale und andere Projekte mit Übergangscharakter von etwaigen strengeren fiskalen Regelungen ausgenommen sein sollten.
Prognosen für EU-Richtlinien und -Gesetzgebung
Gesetzgebung für digitale Assets
Die EU hat in den letzten sechs Monaten einen Rechtsrahmen für digitale Assets und Dienstleister eingeführt. Im kommenden Jahr wird der Schwerpunkt auf den betrieblichen Aspekten liegen, und die Zügel werden von den Gesetzgebern zu den Aufsichtsbehörden wechseln.
Infolgedessen werden sich Emittenten, Dienstleister und andere Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, im Lauf des Jahres überlegen müssen, wie sich der neue Rahmen auf ihre Geschäfte auswirkt. Darüber hinaus werden sie herausfinden wollen, welche Wachstumschancen die grössere Klarheit durch die „Markets in Crypto Assets“ (MiCA)-Verordnung und das „Pilot Regime for Distributed Ledger Technology (DLT)“ mit sich bringt.
Derweil wird die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Forschungsarbeit zur Machbarkeit und Nützlichkeit eines digitalen Euro fortfahren und bis Ende des Jahres entscheiden, ob dieser weiterentwickelt werden soll.
Die Folgen der Energiekrise
Der kurzfristige Fokus liegt darauf, die Folgen der Energiekrise zu bewältigen. Dazu gehört die Einführung von Preisgrenzen für Gas, ergänzt um mittelfristige Prioritäten wie die Reform der Ermittlung von Strompreisen in der EU.
Aber auch die Arbeit am Fitfor55-Paket der EU macht Fortschritte. Dieses Massnahmenpaket soll den Block auf eine Linie bringen und die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % reduzieren.
Es beinhaltet eine Reform des Kohlenstoffhandels in der EU, die Einführung des Europäischen CO2-Grenzausgleichssystems sowie den Produktionsstopp für Benzin- und Dieselfahrzeuge ab dem Jahr 2035.
ESG-Offenlegungsvorschriften und Berichtsstandards
Die EU hat beschlossen, ihre Offenlegungsvorschriften für betriebliche Nachhaltigkeit zu überarbeiten. Jetzt geht es an die technische Arbeit, die Berichtsstandards zu definieren. Die wesentliche Frage wird lauten: Inwieweit wird sich die EU an den internationalen Standards orientieren, die vom International Sustainability Standards Board (ISSB) entwickelt werden?
Die EU spricht auch über eine mögliche Einführung eines obligatorischen Due-Dilligence-Systems für Unternehmen. Das bedeutet, sie müssen Due Dilligence in ihren Versorgungsketten durchführen, um Probleme mit Umwelt- und Menschenrechten aufzudecken. Dazu gibt es bestimmte Systeme, um Produkte vom EU-Markt auszuschliessen, welche zur Abholzung beitragen oder unter Einsatz von Zwangsarbeit produziert werden.
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Das Vereinigte Königreich
Prognosen für Politik und Geopolitik
Ein politisches Karussell
Mit drei verschiedenen Premierministern und vier Kanzlern war 2022 eine überaus instabile Periode der britischen Politik. Obgleich der aktuelle Premierminister Rishi Sunak einen eher technokratischen Ansatz verfolgt, gehen wir davon aus, dass die politischen Unwägbarkeiten auch 2023 andauern werden, während eine etwas chaotische Regierungspartei auf einen beträchtlichen wirtschaftlichen Gegenwind trifft.
Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten, des wankenden Gesundheitssystems und einer Welle von Streiks im öffentlichen Dienst im Winter werden die Conservatives unserer Ansicht nach in den Umfragen weiter hinter Labour zurückbleiben. Bei den Kommunalwahlen im Mai werden sie vermutlich mit Verlusten rechnen müssen.
Da eine Labour-Regierung (ob Mehrheit oder Minderheit) bei der nächsten Wahl das wahrscheinlichste Ergebnis ist, werden die Medien wohl einen noch kritischeren Blick auf die politischen Pläne der Labour-Partei werfen. Dies könnte Sir Keir Starmers Partei dazu zwingen, detailliertere Vorschläge preiszugeben.
Die Wiederherstellung der fiskalpolitischen Verantwortlichkeit
Nach dem Versagen des Mini-Budgets im September 2022 wurde die fiskale Verantwortlichkeit erneut zum zentralen Element der wirtschaftlichen Strategie der Regierung. Institutionen wie die Bank of England oder das Office for Budget Responsibility sind daraus mit mehr Handlungsfreiheit hervorgegangen.
Unserer Ansicht nach wird die Fiskalpolitik der Geldpolitik nicht länger entgegenlaufen, und unabhängige wirtschaftliche und fiskale Prognosen werden sich erneut zu den Eckpfeilern künftiger Budgets entwickeln.
Im „Autumn Statement“ wurde ein beträchtliches Paket an Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen angekündigt. Dennoch gehen wir davon aus, dass die kombinierten Folgen von Inflation, höheren Zinsraten, einer potenziellen Rezession und dem anhaltenden Druck bei den Staatsausgaben dafür sorgen werden, dass die Staatsfinanzen 2023 weiterhin einer Belastung ausgesetzt sind.
Die Anfragen nach Haushaltserhöhungen (z. B. für Verteidigung) werden vermutlich abgelehnt werden, ausser für den National Health Service.
Sollte die Wirtschaft noch mehr einbrechen als angenommen oder die Einnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, werden zusätzliche Steuererhöhungen die Grenzen der Bereitschaft konservativer Parlamentarier, die allgemeine Steuerlast noch weiter zu steigern, auf die Probe stellen. Diese wird Prognosen zufolge das höchste Niveau in % des BIP seit dem 2. Weltkrieg erreichen – Tendenz steigend.
Geopolitik: Das Protokoll zu Nordirland und Sicherheitsbedenken
Die Beziehungen zwischen Vereinigtem Königreich und EU, die seit dem Brexit-Referendum angespannt sind, könnten sich beträchtlich verbessern, sofern man sich auf eine langfristige Lösung zur Einführung des Protokolls zu Nordirland einigen kann.
Die politische Stimmung auf beiden Seiten gibt Anlass zur Hoffnung, und die Verhandlungen dauern an, aber auf beiden Seiten bedarf es noch ernsthafter Kompromisse, bevor eine Einigung erzielt werden kann.
Die Lösung des Protokolls würde die schwerste Hürde für einen Ausbau der Beziehungen zwischen UK und EU aus der Welt schaffen. Sie würde eine engere Zusammenarbeit in Bereichen wie Finanzdienstleistungs-Regulierung und wissenschaftliche Forschung ermöglichen.
Der Krieg in der Ukraine und die Gefahr asymmetrischer Angriffe von Seiten Russlands auf westliche Schwachstellen (wie z. B. Untersee-Pipelines und -Kabel) werden vermutlich auch im kommenden Jahr eine grosse Herausforderung in Sachen Sicherheit darstellen. Aber angesichts der hohen Lebenshaltungskosten wird es der Regierung schwer fallen, den Wählern die Vorteile einer anhaltenden militärischen Unterstützung der Ukraine schmackhaft zu machen.
Prognosen für UK-Richtlinien und -Gesetzgebung
Regulierung von Crypto-Assets
Vorschläge zur Einführung von Stablecoins als Zahlungsmittel innerhalb des regulatorischen Umfangs werden 2023 erstmals als Gesetze in Kraft treten. Die Regierung schlägt ausserdem vor, eine breitere Palette an „Crypto-Assets“ in den regulatorischen Umfang aufzunehmen, darunter die Anwendung von Finanzförderungsregeln auf Crypto-Investitionen.
Die Schatzkammer wird ausserdem dazu berechtigt sein, Sandbox-Anwendungen für Finanzmarktinfrastruktur (FMI) zu entwickeln, um FMIs zu testen, die eine Distributed-Ledger-Technologie verwenden.
Die Bank of England wird ihre Forschungsarbeiten am Konzept einer digitalen Zentralbank-Währung (CBDC) für das Vereinigte Königreich fortsetzen. Aber selbst wenn die Forschungs- und Entwicklungsphasen nach Plan verlaufen, wird eine CBDC für das Vereinigte Königreich unserer Einschätzung nach frühestens Ende 2025 einsatzbereit sein.
Hilfe für Haushalte und Energiesicherheit
Unterstützung für Haushalte und Unternehmen, um mit den steigenden Energiekosten Schritt halten zu können, wird auch weiterhin direkt im Mittelpunkt stehen. Das Schatzamt wird Umfang und Kosten der Energiepreisgarantie für Haushalte vor einer Bekanntgabe im Frühling prüfen.
Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie wichtig die Sicherung der Energieversorgung parallel zur CO2-Reduktion ist. Fracking ist wieder komplett vom Tisch. Der Fokus der Regierung steht auf Anreizen für eine schnellere Einführung neuer Kernkraftwerke und erneuerbarer Energien. Ausserdem soll ein umsetzungsfähiges Paket zur Steigerung der Energieeffizienz der Haushalte zusammengestellt werden.
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Wesentliche Risiken
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Der Wert einer Anlage und die Erträge hieraus können sowohl steigen als auch fallen und es ist möglich, dass Anleger den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhalten.
Wichtige Informationen
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Die in diesem Material dargestellten Prognosen und Meinungen sind subjektive Einschätzungen und Annahmen des Fondsmanagements oder deren Vertreter. Diese können sich jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Es kann keine Zusicherung gegeben werden, dass die Prognosen wie vorhergesagt eintreten werden.
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