Investment Grade-Obligationen (Großbritannien, Eurozone und weltweit)
Lewis Aubrey-Johnson, Head of Henley Fixed Income Products
Wie ist Ihr Ausblick für Investment Grade-Obligationhen im Jahr 2025?
Ganz allgemein lässt sich sagen, dass sich die Credit Spreads von Investment Grade-Obligationen derzeit auf oder nahe an historischen Tiefständen bewegen, aber noch einige Zeit auf diesem Niveau bleiben könnten. Gemessen an der Gesamtverzinsung (All-in-Yields) notiert die Anlageklasse jedoch immer noch auf einem seit der globalen Finanzkrise nicht mehr gesehenen Niveau.
Globale Investment Grade-Obligationen bieten aktuell einen Spread von 90 Basispunkten (Bps). Rechnet man die Pandemiephase heraus, bewegte sich dieser in den letzten zehn Jahren zwischen 90 und 200 Bps. Zwischen den Regionen gibt es zwar kleinere Unterschiede – die Credit Spreads von USD- und GBP-Obligationen liegen auf Tiefstständen, während EUR-Obligationen diese noch nicht ganz erreicht haben. Entscheidend ist aber, dass eine weitere Spreadverengung im Jahr 2025 auf diesem Niveau unwahrscheinlich ist. Die Gesamtrendite der Anlageklasse wird aus ihren regelmäßigen Erträgen beziehungsweise ihrem „Carry“ (Bonitätsaufschlag) sowie aus der Entwicklung des Zinsniveaus resultieren, da von den Zentralbanken weitere Zinssenkungen erwartet werden.
Für die engen Spreads gibt es zwei Gründe: Fundamentaldaten und technische Faktoren. Erstens ist das makroökonomische Umfeld derzeit günstig für das Eingehen von Risiken. Die Volkswirtschaften sind weitgehend stabil, die Unternehmensgewinne sind insgesamt solide und das Rezessionsrisiko scheint gering. Inflation und Zinsen sinken. Die Aktienmärkte sind in diesem Jahr wieder stark gestiegen.
Zweitens ist die Nachfrage nach Obligationen sehr hoch. Im Jahr 2024 sind viele neue Obligationen an den Markt gekommen. Anstatt zu einer Ausweitung der Spreads bestehender Obligationen zu führen, ist das Neuangebot von den Märkten jedoch sehr gut absorbiert worden und die Spreads haben sich verengt. Bei den meisten Neuemissionen übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem, und es werden kaum Emissionsprämien gezahlt.
Solange die großen westlichen Volkswirtschaften nicht an Schwung verlieren, dürfte die Gesamtrendite der Anlageklasse durch die Verzinsung und Duration bestimmt werden und nicht durch signifikante Spreadbewegungen. Im Vergleich zu einer Anlage in Staatsobligationen bietet eine Anlage in Investment Grade-Obligationen eine höhere Verzinsung und kürzere Duration, was angesichts der zuletzt gestiegenen Zinsvolatilität vorteilhaft sein kann.
Die US-Konjunkturdaten zeichnen das Bild einer sich nur sehr langsam abkühlenden Wirtschaft. Das BIP-Wachstum wird in diesem Jahr wahrscheinlich weiterhin über 2,5% liegen. Da die US-Notenbank bereits begonnen hat, die Zinsen zu senken, erscheint das Rezessionsrisiko sehr gering. In Europa ist das Wachstum dagegen eher schleppend und geht sogar weiter zurück. Die Region kämpft mit Sparzwängen, einer Investitionsflaute und der Krise in der Automobilindustrie. Da die Zinsen jedoch bereits sinken und die Umfragen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Kreditvergabe auf ein gewisses Kreditwachstum hindeuten, scheinen auch hier ausreichend Impulse vorhanden zu sein, um eine Rezession zu vermeiden.
In welchen Bereichen sehen Sie die größten Chancen?
Wir haben das Kreditrisiko das gesamte Jahr über schrittweise reduziert. Die Positionen in Hochzinsobligationen, nachrangigen Bankschuldtiteln und zyklischen Emittenten wurden allesamt zurückgeführt. Angesichts der sehr niedrigen Risikoprämien halten wir den Zeitpunkt für gut, bonitätsstärkere Schuldner aufzunehmen, die besser gegen eine höhere Marktvolatilität abgeschirmt sein dürften. Dazu gehören vorrangige Bankschuldtitel (insbesondere in Europa) sowie Obligationen von Basiskonsumgüterunternehmen und hochwertigen Immobilienbetreibern. Außerdem haben wir selektiv in Staatsobligationen und Obligationen staatsnaher Emittenten aus Schwellenländern investiert, die relativ großzügige Spreads für die gebotene Kreditqualität bieten.
Welche Sektoren werden Sie 2025 besonders im Blick haben?
Der Automobilsektor steht 2025 vor den vielleicht größten Herausforderungen. Etablierte Autohersteller sehen sich mit zwei großen Risiken konfrontiert: der Umstellung auf Elektrofahrzeuge und dem Aufstieg chinesischer Wettbewerber, die von erheblichen Kostenvorteilen profitieren. Gestärkt durch die kräftige Erholung nach der Corona-Pandemie befanden sich diese Unternehmen eigentlich in einer guten Ausgangsposition. Die Verkaufszahlen sind jedoch eingebrochen, und die europäischen und amerikanischen Automobilhersteller kämpfen mit lähmenden Kostenstrukturen. Aus Sicht der Märkte betrifft dies vorerst nur die Aktien dieser Unternehmen. Mit anderen Worten: Die Rentabilität wird leiden, aber die Bilanzen sind zu solide, um eine ernsthafte Neubewertung des Kreditrisikos zu rechtfertigen. Die Herausforderungen, mit denen sich die Automobilindustrie konfrontiert sieht, sind jedoch nicht nur zyklischer Natur. Daher werden wir die Branchenentwicklung genau verfolgen.
Was sind einige der Hauptrisiken, speziell im Investment Grade-Bereich?
Das makroökonomische Umfeld ist derzeit günstig. Die Wachstumsdynamik lässt jedoch nach, wenn auch nur allmählich. Genauso wie frühere Zinserhöhungen die Volkswirtschaften nicht ausgebremst haben, könnte eine deutlichere Wachstumsabschwächung jedoch auch eine stärkere Lockerung der Geldpolitik erfordern als erwartet. Tatsächlich verlaufen Abschwünge oft nicht linear und können einen Punkt erreichen, ab dem die Wirtschaft noch schneller an Fahrt verliert. Auch wenn Schuldner mit Investment Grade-Rating dadurch nicht um ihre Kreditwürdigkeit bangen müssten, könnte eine solche Entwicklung die Risikobereitschaft dämpfen und zu einer allgemeinen Neubewertung des Kreditrisikos führen.
Auch etwaige Zollerhöhungen durch die Trump-Regierung könnten erhebliche negative Folgen für die Weltwirtschaft haben. Die Staatsfinanzen der USA werden sich kaum verbessern – entweder aufgrund niedrigerer Steuern oder höherer Ausgaben. Das dürfte zu Aufwärtsdruck auf die Renditen länger laufender US-Staatsobligationen führen, könnte dafür aber die Credit Spreads in den USA stützen, wenn die Regierung auf wachstumsfördernde Maßnahmen setzen sollte.
Neben den wirtschaftlichen Risiken könnten auch die geopolitischen Spannungen das Marktvertrauen untergraben. Neben den Konflikten in Osteuropa und dem Nahen Osten sind auch andernorts zunehmende Spannungen erkennbar.