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Viel Neues von den Zentralbanken und eine Konstante – die angespannte Marktsituation

Viel Neues von den Zentralbanken und eine Konstante – die angespannte Marktsituation
Viel Neues von den Zentralbanken und eine Konstante – die angespannte Marktsituation

In der vergangenen Woche hat es gleich mehrere wichtige Signale von Zentralbanken in aller Welt gegeben – von der Veröffentlichung des Protokolls der jüngsten Sitzung der US-amerikanischen Notenbank (Fed) über die Bestätigung des Zinsausblicks der Bank of Canada (BOC) bis hin zur ersten öffentlichen Rede der neuen Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde. Damit sind die zentralen Unterschiede zwischen den großen Zentralbanken erneut deutlich geworden, aber auch eine Konstante: der anhaltende Druck durch Handelskonflikte und die schwächeren globalen Wachstumsaussichten.

BOC trotzt negativen Auswirkungen der Handelsspannungen mit stabilem Zinsausblick

In einer Rede gab BOC-Gouverneur Stephen Poloz in der letzten Woche zwar zu verstehen, dass die globalen Handelskonflikte Spuren in der kanadischen Wirtschaft hinterlassen und sowohl die Exporte als auch die Investitionen gedämpft haben. Gleichzeitig bekräftige er jedoch seine Zuversicht, dass die Verfassung der kanadischen Wirtschaft robust ist. Diese Einschätzung dürfte auch seiner ebenfalls zum Ausdruck gebrachten Überzeugung zugrunde liegen, dass die aktuelle Geldpolitik der BOC angemessen ist. Damit hat die BOC die Erwartung der Marktteilnehmer untermauert, dass die Bank die Zinsen auch bei ihrer nächsten Sitzung im Dezember stabil halten wird. Poloz gab zu bedenken, dass die durch die Handelsspannungen bedingte Konjunkturabkühlung nach den Exporten und Investitionen auch andere Bereiche der Wirtschaft erfassen könnte, zum Beispiel den Wohnungsmarkt und den Dienstleistungssektor. Wie er betonte, behält die BOC die Lage jedoch genau im Auge. Anders als die Fed, die die Zinsen 2019 bereits drei Mal gesenkt hat, hat die BOC ihre Geldpolitik in diesem Jahr nicht gelockert.

Fed scheinbar vor Zinspause

Die Fed hat in der vergangenen Woche das Protokoll der jüngsten Sitzung ihres Offenmarktausschusses (FOMC) veröffentlicht. Darin begründet die Fed ihre Zinssenkung im Oktober mit den gleichen Faktoren, die sie bereits bei den vorhergehenden Zinssenkungen des Jahres 2019 angeführt hatte: „der anhaltenden globalen Wachstumsschwäche und den erhöhten Unsicherheiten im globalen Handel.“ Außerdem bestätigte das Protokoll die Aussicht auf eine Zinspause. Wie es hiess, hielten die „meisten“ Sitzungsteilnehmer die Geldpolitik für „gut kalibriert“, um die geldpolitischen Ziele der Fed zu erreichen, und die derzeitige Ausrichtung der Geldpolitik bis auf weiteres für angemessen. Eine Anpassung dieser Ausrichtung würde ihrer Ansicht nur durch eine „wesentliche Neubewertung des wirtschaftlichen Ausblicks“ erforderlich. Diese Aussagen sind wichtig, da sie verdeutlichen, wie hoch die Hürden für eine Zinserhöhung durch die Fed sind, und somit signalisieren, dass die Geldpolitik noch eine ganze Weile akkommodierend bleiben wird.

Das Protokoll der FOMC-Sitzung enthielt auch eine längere Abhandlung über die geldpolitischen Instrumente, mit denen die Fed die nächste Rezession bekämpfen könnte – ein wichtiger Beitrag mit allerdings vorhersehbaren Schlussfolgerungen. Dass die Fed die Nullzinspolitik weiterhin für ein mögliches Instrument hält, ist klar. Dagegen betrachtet die Fed Negativzinsen nicht als tragbare Option. Dem Protokoll zufolge waren „alle Teilnehmer der Meinung, dass Negativzinsen in den USA aktuell kein attraktives geldpolitisches Instrument darstellen.“ Das Protokoll vermittelte den deutlichen Eindruck, dass sich die Fed weiterhin auf das seit der globalen Finanzkrise verwendete Instrumentarium beschränken wird — den Dreiklang aus niedrigeren Diskontsätzen (wenn nötig, null Prozent), Forward Guidance (Zinsausblick) und Quantitative Easing (Assetkäufen) —, obwohl viele Ausschussmitglieder darauf hinwiesen, dass die Wirkung dieser Instrumente vermutlich nachlässt.

Ebenfalls in der vergangenen Woche traf sich US-Präsident Donald Trump mit Fed-Chef Jerome Powell, um über verschiedene wirtschaftliche und geldpolitische Themen zu sprechen. Thematisiert wurden u.a. die Zinsen, die niedrige Inflation, die geldpolitischen Lockerungsmassnahmen, die Dollar-Stärke und die Handelsspannungen. In einer im Anschluss an das Treffen veröffentlichten Erklärung der Fed betonte Powell, dass die künftige Ausrichtung der Geldpolitik „ausschliesslich von neuen Informationen zum wirtschaftlichen Ausblick abhängen wird“ und dass die Entscheidungen der Notenbank ausschliesslich auf Basis einer „sorgfältigen, objektiven und nicht-politischen Analyse“ getroffen würden. Anders ausgedrückt bleibt die Fed eine politisch unabhängige, aber datenabhängige Zentralbank.

EZB fordert erneut fiskalpolitische Unterstützung zur Bekämpfung der globalen Wachstumsschwäche

In ihrer ersten öffentlichen Rede als neue EZB-Präsidentin hat Christine Lagarde in der vergangenen Woche zu einem „neuen europäischen Politikmix“ mit stärkerer Beteiligung der Fiskalpolitik aufgerufen. Ihr Aufruf erinnert an ähnliche Forderungen anderer Notenbanker wie des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi und des Fed-Chefs Powell, die in den letzten Jahren alle fiskalpolitische Hilfe von den Regierungen gefordert haben, damit aber grösstenteils auf taube Ohren gestossen sind. Lagarde verwies auf die durch den aktuellen Trend zur Deglobalisierung erschwerte Situation: „Die anhaltenden Handelsspannungen und geopolitischen Unsicherheiten tragen zu einer Verlangsamung des globalen Handelswachstums bei, das sich seit dem vergangenen Jahr mehr als halbiert hat. Das wiederum hat das globale Wachstum auf den tiefsten Stand seit der globalen Finanzkrise gedrückt.“

Lagarde steht ganz klar vor einem doppelten Dilemma. Sie braucht dringend fiskalpolitische Impulse, ist aber den Regierungen weiterhin ausgeliefert. Sie kann nichts weiter tun, als immer wieder höhere Staatsausgaben anzumahnen. Ausserdem steht sie vor dem Problem, dass die EZB gespalten ist und eine bedeutende Fraktion noch grössere geldpolitische Impulse abzulehnen scheint. Trotzdem habe ich immer noch die Hoffnung, dass Lagarde unter den Notenbankern noch am ehesten bereit sein wird, mit neuen geldpolitischen Instrumenten zu experimentieren, die sich als wirkungsvoller erweisen könnten als das seit der globalen Finanzkrise in Gebrauch befindliche Instrumentarium.

Chinesische Zentralbank reagiert mit Zinssenkung auf negative Auswirkungen des Handelsstreits

Die chinesische Zentralbank (People’s Bank of China, PBOC) den Referenzzins Loan Prime Rate in der letzten Woche um 5 Basispunkte auf 4,15% für Kredite mit einjähriger Laufzeit und 4,80% für Darlehen mit fünfjähriger Laufzeit gesenkt.1 Das ist bedeutend, weil es bestätigt, dass die Banken die Kreditzinsen im Zuge der jüngsten Zinssenkungen der POBC ebenfalls gesenkt haben, die Zinssenkungen also an die Kreditnehmer weitergeben. Das entlastet die Unternehmensbilanzen und sollte das Kreditwachstum stützen. Das wiederum dürfte für positive Impulse am Wohnungsmarkt sorgen, da die Hypothekenzinsen leicht gesunken sind. Ausserdem zeigt dieser Schritt erneut, dass die PBOC ihre Geldpolitik weiter behutsam lockert und bereit ist, alles zu tun, was nötig ist, um die chinesische Wirtschaft angesichts des Gegenwinds durch den andauernden Handelskonflikt zu stärken (womit sie auch dafür sorgt, dass China keine grösseren Zugeständnisse in den Verhandlungen mit den USA machen muss).

Geldpolitische Entwicklungen begleitet von enttäuschendem globalen Wachstumsausblick

Parallel zu diesen geldpolitischen Entwicklungen steht die Weltwirtschaft zunehmend unter Druck, wie Lagarde angemerkt hat. Die OECD, die in der vergangenen Woche ihren Quartalsbericht zum globalen Wirtschaftsausblick veröffentlicht hat, erwartet im laufenden Jahr das niedrigste Wachstum der Weltwirtschaft seit der globalen Finanzkrise und rechnet auch im kommenden Jahr nicht mit einer Verbesserung. Die Organisation hat ihre globale Wachstumsprognose für 2020 von 3% im September auf 2,9% gesenkt. Laurence Boone, Chefökonomin der OECD, erläuterte: „Wir beobachten einen deutlichen Rückgang der Investitionstätigkeit, wodurch sich das aktuell langsame Wachstum verfestigen könnte.“

In einem separaten Bericht zeigte sich die Welthandelsorganisation WTO in der letzten Woche besorgt darüber, dass einige der führenden G20-Volkswirtschaften in den sechs Monaten bis Oktober weitere Handelsbeschränkungen eingeführt hätten. Die neuen Handelsbeschränkungen beträfen Waren im Wert von 460,4 Milliarden Dollar (der zweithöchste Wert, der je in einem Sechsmonatszeitraum verzeichnet wurde).

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass viele Marktteilnehmer besorgt über die globale Wachstumsverlangsamung sind. Viele zeigen sich zudem frustriert über die fehlenden Fortschritte in den US-chinesischen Handelsgesprächen, da es nicht danach aussieht, dass 2019 tatsächlich noch ein Teilabkommen (die sogenannte Phase 1 eines Handelsabkommens) erzielt wird (obwohl die Meldung, dass China Verletzungen geistiger Eigentumsrechte stärker sanktionieren will, heute neue Hoffnungen aufkeimen liess).

Wir haben beide Entwicklungen antizipiert, so dass diese uns nicht aus dem Konzept bringen. Sollte der Handelskrieg weiter eskalieren (vor allem, falls die USA im Dezember weitere Zölle verhängen), könnte die wirtschaftspolitische Unsicherheit allerdings noch weiter zunehmen. Dadurch könnten die Unternehmen nicht nur die Investitionen kürzen, sondern möglicherweise auch Neueinstellungen aufschieben. Das könnte negative Auswirkungen auf die Konsumenten haben, deren finanzielle Lage aktuell zwar solide, aber nicht gesichert ist. In den USA zum Beispiel haben viele Konsumenten kaum oder gar keine Ersparnisse, so dass ihre finanzielle Lage grösstenteils von der Arbeitsmarktsituation abhängt. Ein Konsumeinbruch ist allerdings ein „Worst-Case-Szenario“.

Weitaus wahrscheinlicher ist, dass die Zentralbanken die Geldpolitik noch stärker lockern würden, falls sich die Wirtschaftsdaten weiter verschlechtern sollten. Die Wirkung ihrer Instrumente lässt zwar nach, sollte aber weiter spürbar bleiben — vor allem am Aktienmarkt. Ausserdem könnte das Wachstum positiv überraschen, falls die Zentralbanken neue, wirkungsvollere Instrumente einsetzen oder bestimmte Regierungen (China, Indien und möglicherweise die USA) die Staatsausgaben erhöhen, um das Wachstum anzukurbeln.

Wirtschaftsbarometer Konsum – das bevorstehende Rabatt-Wochenende

In den nächsten Tagen werde ich mir vor allem die Einzelhandelsumsätze am Black Friday und Cyber Monday ansehen. Angesichts der grossen Bedeutung des Konsums für die US-Wirtschaft sind diese ein wichtiges Wirtschaftsbarometer. Mit Rekordumsätzen haben die chinesischen Konsumenten dem Konjunkturpessimismus am Singles Day eindrucksvoll getrotzt. Auch wenn die Umsätze am Black Friday und Cyber Monday damit vermutlich nicht mithalten werden, rechne ich angesichts des starken Arbeitsmarktes und positiven Konsumklimas in den USA mit einer sehr guten Wochenendbilanz für den Einzelhandel. Dabei beschränken sich diese Rabattschlachten längst nicht mehr nur auf die USA, sondern finden inzwischen auch in mehreren anderen Ländern statt. Dadurch sollten wir zusätzliche Hinweise auf die finanzielle Lage der Konsumenten und das Konsumklima in Ländern wie Kanada, Grossbritannien, Japan, Mexiko, Indien und China erhalten. Nächste Woche werden wir mehr wissen.

Quellen

  • 1

    Quelle: Bloomberg, L.P., „China Lenders Trim Borrowing Costs, Following Central Bank“, 19. Nov. 2019.

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