Unternehmen müssen verantwortungsvoll handeln, um langfristige Werte für Investoren zu schaffen.
Die Unternehmen werden zunehmend danach beurteilt, ob sie nachhaltig wirtschaften und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Die Medien und die Finanzmärkte haben dieses Thema seit einigen Jahren für sich entdeckt. Für uns ist die Fokussierung auf verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln nichts Neues und die Berücksichtigung der Faktoren Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG) hat bei uns eine lange Tradition. Unsere Global Equities Gruppe blickt auf eine 50-jährige Geschichte zurück und die Anlagespezialisten, die die globalen Aktienstrategien von Invesco betreuen, betrachten eine verantwortungsvolle Geschäftspraxis und Unternehmensführung seit jeher als wesentliche Voraussetzungen des Unternehmenserfolgs.
Anleger können nur dann attraktive Renditen erzielen, wenn es den Unternehmen, in die sie investieren, gelingt, ihren langfristigen Wettbewerbsvorteil zu wahren und ihren Unternehmenswert zu steigern. Dazu müssen diese Unternehmen in Bezug auf ihre Umwelt-, Sozial- und Governance-Praktiken verantwortungsvoll agieren.
Als Investoren halten wir Ausschau nach Unternehmen, die langfristige Werte für unsere Kunden schaffen können. Den sozialen Aktivismus überlassen wir anderen. Wir waren aber schon immer davon überzeugt, dass Unternehmen nur dann langfristige Wertsteigerungen für unsere Kunden generieren können, wenn sie ein sozial verantwortliches Verhalten an den Tag legen.
Lange bevor die Abkürzung ESG zum Modebegriff wurde, haben wir nicht nur die Umweltrisiken von Unternehmen bewertet, sondern auch ihre Fähigkeit, ihre Mitarbeiter und Führungsteams nachhaltig zu motivieren, die Rechte und Interessen ihrer Beschäftigten, Kunden und Lieferanten zu wahren und effektive Aufsichtsstrukturen einzurichten.
Nicht jedes Unternehmen kann in jedem dieser Bereiche herausragend sein. Aber wenn ein Unternehmen in einem Bereich sehr schlecht abschneidet, kann das seinen geschäftlichen Erfolg gefährden und damit die langfristigen Renditen für Investoren.
Wir müssen das uns anvertraute Anlagekapital verantwortungsvoll verwalten. Wir haben eine treuhänderische Verantwortung gegenüber unseren Investoren und wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst. Seit 1969 konzentrieren wir uns auf die strukturellen Trends, die wir als wichtigste Wachstumstreiber der nächsten Jahrzehnte identifiziert haben. Dabei sind wir davon überzeugt, dass nur verantwortungsvoll geführte Unternehmen in vollem Umfang am Potenzial dieser Wachstumstrends teilhaben können.
Der Blick auf das große Ganze bleibt wichtig
In dem Maße, in dem ESG-Anlagen an Bedeutung gewonnen haben, wird auch immer mehr Wert darauf gelegt, Möglichkeiten zur Quantifizierung dieser Faktoren zu finden. Daten zu Aspekten wie dem CO2-Fußabdruck eines Unternehmens, seinen Produktsicherheitsbewertungen oder der Zusammensetzung seines Vorstands können zusätzliche nützliche Datenpunkte für die Unternehmensbewertung liefern.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass es keine allgemeingültige, allumfassende Definition dafür gibt, was „gute“ ESG-Praktiken ausmacht.
Die Daten müssen im jeweiligen Kontext betrachtet werden. Bei quantitativen Bewertungen kann die Versuchung groß sein, Unternehmen in zwei Gruppen einzuteilen: diejenigen, die den ESG-Test „bestanden“ haben, und diejenigen, die „durchgefallen“ sind. So könnten Unternehmen, deren Ergebnisse über einem bestimmten Schwellenwert liegen, als „gut“ eingestuft werden, während diejenigen, die diesen Mindestwert nicht erreichen, als „schlecht“ betrachtet werden.
Unternehmen werden ganz wesentlich von den Menschen geprägt, die sie führen. Ein Unternehmen, das in der Vergangenheit eine schlechte Umweltbilanz aufwies, hat vielleicht ein neues Führungsteam, das es in die richtige Richtung lenkt. Bis sich diese positiven Schritte in den quantitativen ESG-Bewertungen niederschlagen, kann jedoch einige Zeit vergehen.
Ebenso kann es sein, dass ein als „gut“ eingestuftes Unternehmen nur genug tut, um akzeptable Ergebnisse zu erzielen, und aufgrund eines reinen Lippenbekenntnisses zu vorbildlichen ESG-Praktiken kein Potenzial für eine branchenführende Positionierung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder gute Unternehmensführung bietet.
Diese Nuancen lassen sich nur durch einen traditionellen fundamentalen und aktiven Investmentansatz identifizieren und wirklich verstehen. Dafür müssen die Portfoliomanager und Analysten mit den Managementteams der Unternehmen sprechen, die Unternehmen besuchen und Gespräche mit Wettbewerbern und branchengleichen Unternehmen führen.
Auf einer noch tieferen Ebene sind sich die ESG-Analysten und externen Bewertungsagenturen nicht immer einig darüber, was eine gute oder schlechte Praxis in Bezug auf die von ihnen bewerteten Attribute angeht. An den folgenden Beispielen wird dies sehr deutlich.
- Verschiedene Aktiengattungen. Bei Unternehmen mit mehreren Aktiengattungen richtet sich die eine Aktiengattung in der Regel an die Öffentlichkeit und die andere an die Unternehmensgründer, Führungskräfte und Familienmitglieder. Die der Öffentlichkeit angebotene Aktiengattung kann begrenzte Stimmrechte haben, während die den Gründern und Gesellschaftern angebotene Aktiengattung Stimmrechte haben kann, die eine Mehrheitskontrolle des Unternehmens ermöglichen. Oberflächlich betrachtet mag diese Praxis schlecht erscheinen, und die Aktien mit vollem Stimmrecht könnten in ausbeuterischer Weise gegen die Interessen der allgemeinen Anleger verwendet werden. Das muss jedoch nicht so sein. Eine duale Aktienstruktur kann auch ein positiver Faktor sein, wenn sie den Gründern und dem Führungsteam eines Unternehmens die Möglichkeit gibt, kurzfristig schwierige, aber notwendige Entscheidungen zu treffen, die von den Anlegern nicht gutgeheißen würden. Die Befugnis, derart schwierige Entscheidungen zu treffen, kann ein Führungsteam dazu befähigen, das Unternehmen langfristig besser aufzustellen.
- Kontroversen, die Aufmerksamkeit erregen. Gravierende Makel in der Erfolgsbilanz des Unternehmens – zum Beispiel ein Umweltunfall oder ein fahrlässiger Umgang mit Kundendaten – führen automatisch zu einer negativen ESG-Bewertung, die das Unternehmen möglicherweise nicht so schnell wieder los wird. Diese Bewertung könnte jedoch wenig darüber sagen, wie das Unternehmen aus dem Skandal hervorgeht. Hat es Maßnahmen eingeleitet, um die Problematik zu adressieren und eine Wiederholung zu verhindern? Wird das Unternehmen jetzt besser geführt? Um diese Fragen zu beantworten, muss man tiefer schürfen und darf sich nicht nur am ESG-Bewertung orientieren.
Eine tiefgreifende Bewertung des ESG-Profils von Unternehmen ist keine Abhakübung und hört auch nicht bei der Untersuchung der von den Bewertungsagenturen bewerteten Attribute auf. Wir wissen, was Anleger wissen wollen, wenn sie uns fragen: „Berücksichtigen Sie ESG-Faktoren und wie sieht Ihr ESG-Prozess aus?“
Natürlich möchten sie sichergehen, dass ihre Anlagen ihre persönlichen Werte und Überzeugungen widerspiegeln. Genauso wichtig aber ist ihnen, dass wir wirklich alle Risikofaktoren berücksichtigen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Wertentwicklung ihrer Anlagen haben könnten.
Wir verfolgen einen strengen Prozess, um zu bewerten, wie verantwortungsvoll Unternehmen mit dem Kapital ihrer Aktionäre umgehen. So können wir unseren Kunden versichern, dass wir jedes Thema, das ein Risiko für ihre Anlagen darstellen könnte, genau prüfen.
Wir wissen auch, dass nachhaltige Investitionen für manche Anleger nicht immer oberste Priorität haben. So mögen manche Investoren ein Investment in Unternehmen erwägen, die sich nicht durch vorbildliche ESG-Praktiken hervortun, wenn sie sich dadurch eine hohe Überrendite oder kurzfristige Gewinne erhoffen.
Für diese Investoren sind wir nicht der richtige Manager. Wir legen den Fokus auf Unternehmen, die langfristig Werte schaffen. Damit konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die sich zu nachhaltigen Praktiken bekennen, und meiden Unternehmen, die nicht unseren Anforderungen an eine verantwortungsvolle Unternehmensführung entsprechen.
Fallbeispiele aus den Strategien unseres Global Equity Teams
Facebook musste umfangreiche Maßnahmen zum Schutz seiner Nutzerdaten ergreifen
Anfang 2018 enthüllte ein Whistleblower, dass die britische Beratungsfirma Cambridge Analytica persönliche Informationen von Millionen von Facebook-Nutzern ohne deren Zustimmung abgegriffen und für politisches Marketing genutzt hatte.
Der Datenskandal erschütterte die Öffentlichkeit und weckte gravierende Zweifel daran, wie der Social-Media-Gigant die privaten Daten seiner Nutzer schützt. Facebook blockierte daraufhin den Zugang Dritter zu seinen Nutzerdaten, um eine Wiederholung eines derartigen Datenmissbrauchs durch andere Unternehmen zu verhindern.
Das Unternehmen formulierte seine Nutzungsbedingungen neu, um in einfachem Englisch zu erklären, wie es die Daten seiner Nutzer verwendet und speichert. Außerdem stellte das Unternehmen mehrere Zehntausend neue Mitarbeiter ein, die ausschließlich an Lösungen für Datenschutzfragen arbeiten sollten – das sind mehr Beschäftigte, als viele Unternehmen insgesamt haben. Das allein verdeutlichte, was für Ressourcen Facebook für die Lösung eines so dringenden Problems mobilisieren kann.
Wir kamen zu dem Schluss, dass Facebook in angemessener und verantwortungsvoller Weise gehandelt hatte, um das Problem zu lösen. Tatsächlich ergriff das Unternehmen viele Maßnahmen, die wir ihm empfohlen hätten.
Das Lieferketten-Management ist für Modehändler wie boohoo von entscheidender Bedeutung
2020 machte die Sunday Times in einem Enthüllungsbericht auf ausbeuterische Arbeitspraktiken bei einem Zulieferer des Fast-Fashion-Unternehmens Boohoo aufmerksam. Demnach erhielten einige Arbeitnehmer weniger als den Mindestlohn und mussten in einem Umfeld arbeiten, in dem grundlegende Arbeitssicherheitsstandards systematisch ignoriert wurden.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass das Lieferkettenmanagement ein kritisches Thema ist, insbesondere für die Fast-Fashion-Branche, die unter Druck steht, neue Trends schnell und kostengünstig auf den Markt zu bringen. Als Investoren wirken wir im kritischen Dialog mit den Unternehmen aktiv darauf hin, dass sie hohe Arbeitsstandards erfüllen und ihre Lieferkette effektiv steuern.
Boohoo ist in den vergangenen Jahren vor allem durch Übernahmen gewachsen und einige der Lieferkettenprobleme des Unternehmens sind auf diese neuen Übernahmen zurückzuführen. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, in Zukunft strategischer vorzugehen und bei der Prüfung von Übernahmekandidaten gründlichere Audits durchzuführen.
Außerdem hat das Unternehmen einen weiteren unabhängigen Direktor in seinen Verwaltungsrat berufen und zwei neue Nachhaltigkeitsbeauftragte eingestellt. Auch die Risikomanagement-Funktion wurde personell deutlich verstärkt.
Wir sind der Meinung, dass boohoo die Defizite in seiner Lieferkette wirkungsvoll adressiert hat und dass die Unternehmensführung die richtigen Schritte unternommen hat, um das Risiko einer Wiederholung dieser Vorfälle zu mindern. Wir behalten die weitere Entwicklung genau im Auge.
Dr. Lal Pathlabs: Selbstregulierung als Ausdruck einer langfristigen geschäftlichen Vision
Dr. Lal Pathlabs ist einer der größten Anbieter von Diagnosetests in Indien.
Labortests untermauern 70% der medizinischen Entscheidungen in einem evidenzbasierten Medizinsystem. Aktuell liegt Indien in Bezug auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und den Zugang zu Gesundheitsversorgung auf einem sehr niedrigen Niveau. Durch die alternde und zunehmend wohlhabende indische Bevölkerung dürfte sich dies jedoch ändern.
Dr. Lal ist ein Beispiel für Selbstregulierung in einer Branche, die noch nicht bereit ist für eine starke externe Regulierung. Laboratorien unterliegen zwar einer staatlichen Regulierung. Diese wird jedoch nur sehr allmählich umgesetzt.
Dr. Lal Pathlabs erfüllt jedoch höchste Standards der wissenschaftlichen Integrität, die über die branchenüblichen Standards hinausgehen. Bei medizinischen Tests zum Beispiel hat die Handhabung der Probe einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Testergebnisse.
Auf dem indischen Markt ist dies eine besonders unbeständige Variable, da die Probenentnahme hier häufig außerhalb des Labors stattfindet, z.B. bei den Verbrauchern zu Hause, und die Kühlketten häufig nicht konsequent eingehalten werden können.
Dr. Lal setzt in diesem Bereich seit Langem Maßstäbe, hatte dadurch in der Vergangenheit aber mit erheblicher Billigkonkurrenz am nicht organisierten Ende des Marktes zu kämpfen.
Wir haben immer erwartet, dass Dr. Lals ethische Ausrichtung in einem reiferen indischen Gesundheitssektor mit bewussteren, anspruchsvolleren Verbrauchern letztlich zu einem kommerziellen Differenzierungsfaktor würde.
Ironischerweise war die COVID-19-Krise in dieser Hinsicht ein Katalysator. Für die indischen Verbraucher ist die Zuverlässigkeit der Versorgung wichtiger geworden als der Preis. Davon hat Dr. Lal mit seinem verantwortungsvollen Ansatz und seiner langfristigen kommerziellen Vision ganz klar profitiert.
Ausübung unserer Stimmrechte
Als wichtige Anteilseigner vieler Unternehmen werden wir von den Managementteams der Unternehmen angehört und können ihre Entscheidungen zu allen geschäftlichen Aspekten oft positiv beeinflussen.
Im Dialog mit dem Management und den Aufsichts- und Führungsgremien der Unternehmen sprechen wir kritische Themen – auch in Bezug auf ihre ESG-Praktiken – offen an und führen ganzheitliche Diskussionen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens und die Auswirkungen auf unsere Kunden.
Wo dies angebracht ist, arbeiten wir mit unabhängigen Direktoren zusammen, um Einfluss auf Themen zu nehmen, die für unsere Kunden und uns von großer Bedeutung sind.
Außerdem halten wir die Stimmrechtswahrnehmung für eine weitere wichtige Möglichkeit, sich für eine bessere Entscheidungsfindung in Unternehmen einzusetzen. In der gesamten Geschichte der Global Equities Gruppe haben wir an nahezu 100% der Abstimmungen teilgenommen, bei denen wir abstimmen konnten.
Im Gegensatz zu anderen Vermögensverwaltern stellen wir uns nicht immer auf die Seite des Managements oder folgen den Abstimmungsempfehlungen von Dritten.
Wir nehmen den Prozess sehr ernst und haben Teams, die die Auswirkungen jedes Abstimmungspunktes sorgfältig für uns abwägen. Dies ist ein weiterer Ansatz, den wir verfolgen, um positive Veränderungen in Unternehmen zu bewirken, wenn eine externe Beratung geraten ist.